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Märchen für Erwachsene mit Brigitte Hirsig

27. November 2022

Der Biss in den Apfel
Nicht nur Kinder brauchen Märchen, davon ist Brigitte Hirsig überzeugt. Die Bieler Märchenerzählerin stand am vergangenen Sonntag, 27. November 2022, in der alten Johanniterkommende in Reiden auf der Bühne. Die Künstlerin erzählte Märchen aus aller Welt über die Liebe. Passend dazu hiess ihr Programm «der Biss in den Apfel». Zu Beginn des Abends erzählte sie von der ersten Liebesbeziehung der Erdgeschichte: Die Gottheit beobachtete das Liebespaar, das sie erschaffen hatte. Brigitte Hirsig schlüpft beim Erzählen in verschiedene Rollen. Es ist gut ersichtlich, ob sie gerade die Frau, den Mann oder die Gottheit spielt. Wenn sie erzählt, ist sie mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit bei der Handlung der Geschichte.

In jeder Kiste steckt eine Geschichte
Auf der Bühne standen grosse und kleine Schatztruhen. In jeder der Kisten versteckte sich eine Geschichte in Form von dazu passenden Gegenständen. Diese befestigte Brigitte Hirsig am hölzernen Garderobenständer, der auf der Bühne stand. In Märchen ist nichts unmöglich: Ein Lied und eine Geschichte, welche tief in einer Frau schlummern, können zum Leben erwachen und sich in einen roten Schal und ein paar Herrensandalen verwandeln, was dem Paar zum Verhängnis wird. Ein Liebespaar kann sich in Kraniche verwandeln, um zusammen fliehen zu können. Jede Geschichte vermittelte eine Botschaft, mal offensichtlich, mal subtil.

Variante A, B, oder C
Aus einer der Kisten nahm Brigitte Hirsig ein Schüttelei. Dieses wurde während der nächsten Geschichte im Publikum weitergereicht. Wann immer jemand das Ei schüttelte, unterbrach Brigitte Hirsig die Erzählung. Die Künstlerin nannte drei Möglichkeiten, wie die Geschichte weitergehen könnte. Die Person, welche das Ei geschüttelt hatte, musste sich für Variante A, B oder C entscheiden. So entstand gemeinsam mit dem Publikum eine improvisierte Geschichte, welche genauso fesselnd und in sich stimmig war, wie die bereits existierenden Märchen.

Wörter aus dem Publikum
Während der Pause durfte das Publikum verschiedene Begriffe auf Zettel schreiben. Nach kurzer Zeit waren alle Zettel beschrieben. Im zweiten Teil des Abends bat Brigitte Hirsig eine Person aus dem Publikum, die Zettel intuitiv in die passende Reihenfolge zu legen. Als die Erzählkünstlerin den ersten Zettel öffnete, stand darauf das Wort «Feder». Eine aufregende Geschichte nahm ihren Lauf. Eine Geschichte, welche von der Sehnsucht berichtete, dem Alltag zu entfliehen: Einfach mit dem Fahrrad davon zu fahren, bis ans Meer. Der Begriff «Auto-Stopp» führte die Ausreisserin wieder zurück nach Hause. Am Ende wurde daraus erst noch eine Liebesgeschichte. Passend stand auf dem letzten Zettel das Wort «Neuanfang». Es sei manchmal fast unheimlich, berichtet Brigitte Hirsig, wie gut die zufällig notierten und zufällig sortieren Wörter zusammen eine Geschichte ergeben würden.

Innere Bilder
Ihre Methode sei es, sich zu den Begriffen innere Bilder vorzustellen. So sah Brigitte Hirsig beim Wort «Feder» eine kleine weisse Feder und beim Wort «Sehnsucht», empfand sie beim Anblick dieser Feder die Sehnsucht, zu fliegen, sich forttragen zu lassen, dem Alltag zu entkommen. Da Brigitte Hirsig die Bilder in ihrem Geiste vor sich sieht und so treffend formuliert, entstehen bei den Zuhörerinnen und Zuhörern innere Bilder. «Ich hätte noch 2-3 Stunden länger zuhören können», schwärmte eine Frau aus dem Publikum nach dem Anlass, welche sich in der Taverne ein feines Tomatenrisotto gönnte.  

Nach diesem Anlass ist dem Vorstand des Reider Kulturvereins KKK (KONTAKT KULTUR KOMMENDE) klar: Ja, auch Erwachsene brauchen Märchen.

(Text Katrin Blum, Foto Reto Thommen)

www.brigittehirsig.ch/